erschienen in der WLZ am 13.01.2015
Winston Churchill ist uns bekannt als der Premierminister, der England im 2.Weltkrieg gegen das nationalsozialistische Deutschland geführt hat. Aber Churchill war nicht nur Politiker aus dem englischen Hochadel; er war ebenso erfolgreicher Journalist und Schriftsteller und erhielt 1953 den Nobelpreis für Literatur. Dass er zu seinem Bekanntenkreis den englischen Jahr-hundertschauspieler Charlie Chaplin zählte, ist bekannt.
Michael Köhlmeier reichert diese Bekanntschaft nicht nur zu einer langjährigen Freundschaft an, sondern entwickelt daraus die Geschichte eines aussergewöhnlichen Paktes. Was beide verbindet und was beide ebenso verbergen wollen, ist ihre Gefährdung durch tiefe Depressionen. Sie nennen das « den schwarzen Hund ». Sobald dieser sich einem von beiden zeige, werde der andere ihm, von wo immer auch, zu Hilfe eilen.
Was in diesem Roman nacherzählt, was erfunden ist, das lässt sich nicht zweifelsfrei sagen. Dieser Autor lässt historische Fakten und Figuren immer wieder nahtlos in Fiktion übergehen. Er erfindet den Ich-Erzähler, einen Clown, der berichtet, was ihm sein Vater über die beiden Helden erzählte. Der Bericht von Churchills angeblichem Privatsekretär William Knott, einem weiteren fiktiven Kronzeugen, beginnt sogar mit dem Bekenntnis: „Seit 35 Jahre lüge ich.“
Der in fünf Kapitel unterteilte Roman springt dramaturgisch geschickt in der Zeit vor und zurück. Er speist sich aus Köhlmeiers großen Kenntnissen der Kultur- und Zeitgeschichte, die er mit biographischen Momentaufnahmen aus dem Leben des Politikers und des Leinwandkünstlers spannend verknüpft. Die Schilderungen von Churchills schlimmen Jahren als Internatszögling, den die Eltern abgeschoben haben, sind dabei mindestens so erschütternd zu lesen wie die über Chaplins Londoner Kindheit in größter Armut, die seine Mutter, eine verarmte Varieté-Soubrette, nicht abzuschütteln vermochte. Dass diese beiden Großmeister allerdings auch grandiose Egomanen waren, auch das macht Köhlmeier in einer Begegnung während eines Dinners deutlich, als sie einmal nicht von Depression gezeichnet sind.
So unterschiedlich Churchill und Chaplin auch waren, hatten sie, und darauf zielt dieser Roman natürlich, neben ihrem inneren Feind bald einen noch viel größeren Gegner, den sie beide, jeder auf seine Weise, mit aller Macht bekämpfen sollten: Adolf Hitler.
Es gab diese Freundschaft zwischen Churchill und Chaplin, es gab die depressiven Phasen, sonst jedoch ist alles frei erfunden. Aber Köhlmeier, der eine Fülle historischer Dokumente beibringt, glaubt man jedes Wort und lässt sich gern auf sein spannendes, amüsantes und
anrührendes Romangeflecht ein.
Michael Köhlmeier. Zwei Herren am Strand. Roman. Carl Hanser Verlag, München 2014. 256 S., geb., 17,90 €.