erschienen in der WLZ am 10.03.2015
Peter Scholl-Latour – der Name hat Klang, den Klang von Weitgereistheit und einer langjährigen eindrucksvollen journalistischen Arbeit an den Brennpunkten des Weltgeschehens. In den 60er- und 70er-Jahren des 20.Jahrhunderts verbindet man den Namen Scholl-Latour mit Indochina und Vietnam („Der Tod im Reisfeld“,1979 – sein Bucherfolg aus dieser Zeit), mit Algerien und dem asiatischen Raum des Islam, von wo der Journalist und Publizist im schwarz-weißen Fernsehen seine Reportagen vortrug. Peter Scholl-Latour- der Name klingt auch nach nuschelnder, grantelnder, aber unübertroffen kenntnisreicher Auskunft und weltpolitischer Analyse. Auch in den gerade zurückliegenden Jahren des jungen 21.Jahrhunderts reiste Scholl-Latour in die aktuellen Krisenherde der Instabilität vom Maghreb bis zur Levante, nach Bagdad und Teheran.
Geboren 1924 besuchte er in seinem letzten Lebensjahr im Süden der Türkei die Provinz Antakya und von da aus Aleppo im „Fruchtbaren Halbmond“ Syriens, dies ein Thema am Anfang des Buches. Schließlich erschien der vorliegende Band 2014; Scholl-Latour verstarb im August 2014.
Der Journalist führt uns in profunder Weise durch die Staaten des Orients, gelangt von der Betrachtung der Historie des 20.Jahrhunderts und manchmal auch weiter zurückliegender Zeiten zu den aktuellen Geschehnissen der Aufstände, Revolutionen, Terroranschläge bis zu den Gräueltaten der islamistischen Extremisten im Irak. So erfahren wir viel über die Türkei, Syrien, den Irak und den Iran, über die nordafrikanischen Staaten Ägypten, Libyen, Tunesien.
Bittere Kritik übt Scholl-Latour an den westlichen Staaten, in erster Linie an den USA, aber auch an Großbritannien und Frankreich, wie auch an deutscher Giftgasproduktion für den Irak Saddam Husseins.
So weist er darauf hin, dass „infolge der hemmungslosen Kampagne des Westens gegen Damaskus“, also gegen die Assad-Regierung, nicht liberale und demokratische Bewegungen politisch bestimmend wurden, sondern gerade islamistische Kämpfer mit Zielen jenseits von Aufklärung und Menschenrechten. Weiter beklagt Scholl-Latour die Fehleinschätzungen westlicher Geheimdienste und nach seiner Auffassung manipulierende Darstellungen westlicher strategisch-politischer Planer, die den Begriff „arabischer Frühling“ einführten unter Verkennung und völliger Fehleinschätzung der in Wahrheit sich entwickelnden islamistischen Interessen dort.
Besonders im Fall von Syrien führt er uns vor Augen, dass dieses einzige säkulare Staatsgebilde im arabischen Raum durch Desinformation und „angelsächsische Meinungsmanipulatoren“ in Chaos und Tod geführt worden sei, wobei es am Ende soweit kommen könne, dass nur Assad die einzige Macht darstellt, die in der Lage wäre, die Terrorgewalten zu brechen.
Im Nachwort des vorliegenden Bandes lobt Altkanzler Helmut Schmidt Scholl-Latours umfassendes Verständnis der arabischen und orientalischen Welt: “Seine Reportagen sind nicht nur kenntnisreiche Beobachtungen, sondern überzeugen durch ihre geopolitische Scharfsicht.“
Peter Scholl-Latour
Der Fluch der bösen Tat
Das Scheitern des Westens im Orient
368 S., Ullstein Buchverlage, Berlin 2014, 24,99 €
Philipp Kesting