Bad Arolsen. Geschichten aus einer anderen, der neuen Welt und aus einer anderen Zeit hat die Saarländerin Maria W. Peter in einem Roman verwoben, der seinen Ausgangspunkt in Arolsen nimmt. Die Residenzstadt und das Schloss waren gerade 50 Jahre jung, als sich in einem anderen Teil der Welt, in den englischen Kolonien auf dem nordamerikanischen Kontinent, ein neuer Staat zu formen begann.
Der Roman „Die Küste der Freiheit“ erzählt die Geschichte einer Schweizer Wiedertäuferin, die, ausgegrenzt wegen ihrer religiösen Überzeugung, über Berich und Arolsen und den Subsidienvertrag des Casseler Kurfürsten Landgraf Friedrich II. in das revolutionäre Amerika gelangt. Vom Waldecker Land nach Pennsylvania – eine große Auswanderersaga.
Historische Gestalten
Rund 60 interessierte Gäste verfolgten am Mittwochabend die ungewöhnlich lebendig gestaltete Autorenlesung in der Christine-Brückner-Bücherei.
Unter die Gäste gemischt hatten sich seine Durchlaucht, der Landgraf persönlich, dargestellt von Matthias Richter, Historiendarsteller der Gesellschaft für Hessische Militär- und Zivilgeschichte, und sein Kollege Martin Förster in der Rolle eines Offiziers im Jägercorps zu Cassel.
Sehr plastisch schilderten die beiden Zeitgenossen der Romangeschichte. die politischen und militärischen Zusammenhänge des Subsidienvertrags, der an die 25 000 hessische Landeskinder aus Cassel, Darmstadt und Hanau an den Hudson bei New York und den Potomac bei Washington führte.
Schiller und andere zeitgenössische Autoren hätten mit ihren Berichten ein falsches Bild von Landgraf Friedrich II. gezeichnet, kritisierten die Historiendarsteller. Er habe mehr für sein vom siebenjährigen Krieg zerschundenes Land getan als bloß seine Landeskinder verkauft.
Es sei damals durchaus üblich gewesen, dass Landesfürsten ihre Soldaten gegen gutes Geld für fremde Kriege in fremden Ländern ausliehen.
Der Casseler Subsidienvertrag sei der 16. von insgesamt 18 gewesen und habe dem Fürstentum an die 20 Millionen Reichstaler eingebracht, nach heutiger Kaufkraft ein Milliardenvermögen, das dringend benötigt wurde, um den teuren Lebensstil des Landesherren zu finanzieren und die Prunkbauten seiner Vorgänger zu vollenden.
Waldecker Spuren
Das Kriegshandwerk sei damals keineswegs so tödlich gewesen, wie man angesichts der Gemälde mit engen Reihen schießender Schlachtaufstellungen meinen könne.
Von den 250000 hessischen Soldaten, darunter rund 800 Waldecker, die auf britischer Seite in Nordamerika eingesetzt waren, seien nur rund 2000 gefallen. 4000 hätten sich am Ende des Krieges entschieden, im Land zu bleiben, aber nur wenige seien dazu desertiert.
So weit die historischen Fakten aus Sicht der Historiendarsteller. Auf diesen Fakten beruht auch der Roman von Maria W. Peter, die sich als Amerikanistin mit Studienerfahrung aus Missouri bemühte, möglichst viele dieser Fakten in ihren rund 880 Seiten dicken Abenteuerroman einfließen zu lassen.
Doch das Buch bietet mehr als Abenteuer vor historischem Hintergrund. Der Roman schildert auch eine herzergreifende Liebesgeschichte zwischen der verfolgten Auswanderin und dem Offizier Lorenz von Tannau, den sie verwundet am Ran¬de eines Schlachtfelds findet und gesundpflegt.
Für die Besucher der Lesung in der Christine-Brückner-Bibliothek war der Abend ein spannender Exkurs in eine andere Welt, abgerundet mit kulinarischen Schmankerln, die einem Kochbuch jener Zeit entsprungen sein könnten. (es)
Die Küste der Freiheit, Maria W. Pe¬ter, Bastei Lübbe Taschenbuch, 878 Seiten, 9,99 Euro, ISBN 978-3-404- 16735-7.