erschienen in der WLZ am 10.09.13
Blick auf neue Bücher, heute von den Freunden der Stadtbücherei Bad Arolsen.
Sicher waren Sie schon mal auf einer Kreuzfahrt oder haben damit geliebäugelt – mal von allen Seiten verwöhnt werden, umsorgt, animiert und dabei durchs Mittelmeer oder die Karibik schippern. Und wer weiß, vielleicht trifft man sogar den einen oder anderen Promi an Bord.
Zum Beispiel den amerikanischen Erfolgsschriftsteller David Foster Wallace. Dieser hat sich im Auftrag der Zeitschrift Harper’s Magazine für eine Woche auf Kreuzfahrt durch die Karibik begeben. Und er nimmt seinen Auftrag ernst und alles genau in den Blick: seine mitreisenden Zeitgenossen, die Funktionsweise der Bordtoiletten, den fast hyperperfekten Roomservice und das unendliche Amüsier-Programm zur TotalVerwöhnung.
Wallace beeindruckt durch seine feine Beobachtungsgabe. Man stelle sich einen Mann vor, der die Stille liebt, der Individualist ist, der alle Gleichmacherei hasst und der nun plötzlich in diesem Trubel landet! Aber er kneift nicht, macht mit und ärgert sich sogar, nur den 3. Preis beim Wettbewerb für das schönste Männerbein gewonnen zu haben. Und er kann es kaum fassen: Animateure sorgen die ganze Zeit dafür, dass niemand zur Besinnung kommt. Jeglicher freie Moment wird mit Spiel, Spaß und Wellness vollgepfropft und wehe, einer entzieht sich dem allgemeinen Freudentaumel.
Sein guter Wille erlahmt dann doch und er rettet sich in die mit Häppchen versorgte Ruhe seiner Luxuskabine. Mit seinen Journalisten-Fragen zur Amüsier-Maschinerie an Bord hat er sich ohnehin bei den schicken, weiß uniformierten Offizieren als möglicher Störenfried verdächtig gemacht. Denn hinter der ewig lächelnden VerwöhnArbeit steckt ein strenges Regiment, das keinerlei Abweichungen vom Programm zulässt.
Mit ausdauernder Komik trägt er seine Beobachtungen vor und bringt den Leser zum Schmunzeln, Lachen, Prusten. Hinter dem Essay steckt eine ausnehmend kluge Kulturkritik, die mitreißend und amüsant zu lesen ist. Wallace hat eine köstliche Phänomenologie der Kreuzfahrten verfasst und wie bei ihm üblich, steckt Entscheidendes in seinen umfangreichen Fußnoten.
David Foster Wallace, ein Großer der amerikanischen Gegenwartsliteratur, nahm sich 2008 mit 46 Jahren das Leben. Das Buch von 1997 ist passend zur Ferienzeit wieder aufgetaucht, hat aber nichts von seiner Frische verloren. – Sabine Belz
David Foster Wallace. Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich. 185 S. Goldmann, 2004, 6,95 Euro.