erschienen in der WLZ im Juni 2014
„Die Liebe in den Zeiten der Cholera“ – ein vielschichtiges Epos von Gabriel Garcia Marquez (1927 – 2014, Literaturnobelpreisträger 1982), das wie ein Kaleidoskop die Liebe dreier Menschen im Licht in den Umbrüchen des ausgehenden 19. Jahrhunderts beleuchtet. Im Mittelpunkt der Geschehnisse steht Fermina Daza, Tochter aus gutem Hause, Gattin des Arztes Juvenal Urbino und Jugendfreundin von Florentino Ariza. Durch den Tod Marquez‘ in diesem Jahr rückt das Werk des kolumbianischen Autors wieder in den Blick und somit auch dieser wunderbare Roman, der wie kaum ein anderer poetisch und frei von Klischees das Wesen der Liebe beschreibt – genau richtig für den Sommer.
Der Beginn der Erzählung ist gleichzeitig ihr Wendepunkt: Urbino stirbt 81 jährig, und noch am Abend der Trauerfeier macht Ariza Fermina ein rätselhaftes Liebesgeständnis: „Fermina, auf diese Gelegenheit habe ich über ein halbes Jahrhundert gewartet, um Ihnen erneut ewige Treue und stete Liebe zu schwören.“ Verständlicherweise reagiert Fermina äußerst empört.
In einer Rückblende erfährt der Leser die Geschichte Ferminas, die in ihrer Heimatstadt Cartagena (Kolumbien) von ihrem Jugendfreund Florentino Ariza umworben wird. Die platonische Freundschaft und beginnende Liebe wird allerdings von Ferminas Vater unterbrochen, da Fermina den angesehenen Arzt Juvenal Urbino heiraten soll. Ariza schwört Fermina ewige Liebe und tröstet sich im Laufe der Zeit mit zahlreichen Liebschaften. Fermina findet sich in das Leben als Frau des (erheblich älteren) Urbino ein und entwickelt eine Liebe zu ihm.
Die Lebensgeschichten Ferminas und Arizas trennen sich: Ariza arbeitet in der Reederei seines Onkels, macht dort seine Karriere und erlangt gesellschaftliches Ansehen. Doch trotz seiner Liebesaffären vergisst er Fermina nie.
Der Wendepunkt der Handlung tritt ein, als sich der Kreis der Rückblende schließt: Fermina ist Witwe und theoretisch frei für ihre Jugendliebe. Wären da nicht die Konventionen, die die Liebe im fortgeschrittenen Alter unmöglich machen. Nach und nach lässt Fermina die Gefühle und die Leidenschaft zu und erlebt nun mit der Verspätung eines halben Jahrhunderts ihre Jugendliebe. Sie unternehmen eine Dampferfahrt. Nachdem die anderen Passagiere das Schiff verlassen haben, hisst Ariza die Choleraflagge, um in dieser selbstgeschaffenen Nische allein mit seiner Fermina zu sein.
Marquez gelingt es in diesem Epos bravourös, vor dem Hintergrund dieser Liebe die unterschiedlichsten Ebenen zu vereinen: Ein Gesellschaftsbild einer aufbrechenden Epoche sowie die Psychologie der Liebe in den verschiedenen Lebensaltern vereinen sich und spitzen sich zu in einer Dampferfahrt durch das verlorene Paradies. Ein Roman zum Schwelgen und zum Immerwiederlesen, denn stets wird eine neue Nuance in den Blick des Lesers treten und die Lektüre zu einem schier unerschöpflichen Kosmos machen.
Katrin Scheiding
Förderverein Christine-Brückner-Bücherei Bad Arolsen
Gabriel Garcia Marquez: Die Liebe in den Zeiten der Cholera
Roman, Fischer Taschenbuch 2009, 668 S., 10,– €